Ein Bienen-Doku-Film, für den die Macher dreiviermal um die Erde fuhren, zwischen Österreich, Schweiz, Deutschland, China und Kalifornien pendelnd. Extrem gute Landschafts- und Makroaufnahmen über eine extreme Haltung: „Wir wissen zwar nicht genau, wohin wir steuern, aber wir tun es mit aller Macht.“
Der Film „More than honey“ von Markus Imhoof, am 8.11.12 in Deutschland angelaufen, zeigt Bienen und ihr (Über-)Leben in wunderbaren, (zumindest von mir) noch nie gesehenen Nahaufnahmen, interviewt sehr unterschiedlich agierende Imker aus ebenfalls sehr unterschiedlich wirtschaftenden Ländern und kommt zu sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Prädikat: absolut sehenswert! Mit der Einschränkung, dass die dargestellten Imker(länder) Extreme aufweisen, wie sie in Deutschland glücklicherweise nicht in diesem Ausmaße zu finden sind.
Nehmen wir die Schweizer Alpen, die trotz ihrer Höhe keine immerwährende Barriere zwischen den stichigen, jedoch alteingesessenen, an die lang andauernden winterlichen Verhältnisse angepassten Bienenvölker bieten (ich glaube, es war die Nigra, wären mehr Wortbeiträge wären wünschenswert gewesen) und der auf Sanftmut getrimmten Carnica oder jeder anderen, die die Reinrassigkeit verwässern könnte. Notfalls wird der Königin mit dem Fingernagel gnadenlos der Kopf kürzer gemacht, sobald sie fremdgegangen ist.
Nutzt letztendlich alles nichts, wenn die Sauerbrut (Faulbrut) eingeschleppt wird. Dutzende von Völkern samt ihrer Wohnstube müssen vernichtet werden, um eine weitere bakterielle Ausbreitung zu verhindern. Dem Alten tut es sichtlich leid, er hängt an seinen Völkern. Schlussfolgerung: „Gehen Sie direkt auf Los, gehen Sie nicht mal mehr ins Gefängnis, ziehen sie auch keine 400 Euro ein.“ Bei Kollateralschaden einfach von vorne beginnen … so ein Spiel kann sich endlos hinziehen, Gewinner wird es hier nie geben.
Nehmen wir Österreich mit seiner effizienten Methode der Reihenzüchtung. Säuberlich mit Autolack (!) markiert, treten Hunderte von Königinnen und Kunstschwärmen, säuberlich verpackt und ettiketiert, ihre im wahrsten Sinne des Wortes erschütternde Reise durch diverse Postverteileranlagen in verschiedene Länder rund um den Globus an. Zarte, empfindliche Lebewesen torkeln via ohrenbetäubender Förderbänder und ohne den umfassenden Schutz des eigenen Volkes einer ungewissen Zukunft in einer möglicherweise gar nicht für sie geeigneten Umgebung an. Macht nichts, sie müssen ja höchstens nur ein Jahr (über-)leben, danach werden sie ohnehin durch frische, legetüchtige Jüngere ausgetauscht. Natur als beliebige Massenware, den Umtausch mit eingeschlossen, verantwortliche Bindungen zwischen Tier und Mensch entstehen so nicht.
Nehmen wir die kalifornische, von unten hübsch anzusehende, von oben jedoch bedrückende Wüstenei blühender Mandelplantagen, so weit das Auge reicht. Bienen, gehalten wie Sklaven, ausgenutzt, abgenutzt, in effizienten Arbeitsvorgängen voneinander isoliert, verschaukelt, verheizt, verletzt, … was macht das schon, wenn ein paar Hundert Völker, ein paar Milliarden Bienen mehr jedes Jahr zugrunde gehen. Am Anfang, ja, da war es wie ein Stich in der Brust, so, der interviewte Großimker, wenn ein Volk ohne Erklärung von heute auf morgen tot war. Man gewöhnt sich jedoch dran. Seine Schlussfolgerung: „Wir sind Kapitalisten, wir wollen Wachstum.“ Gier und Angst vor Verlusten halten die Menschheit am Leben, tönt es von der Leinwand. Medikamente werden’s richten, die toten Bienen werden „in Ordnung gebracht“, sprich: entsorgt, um nahtlos zur Tagesordnung überzugehen.
Nehmen wir China und von Baum zu Baum hüpfende Wanderarbeiter, die die Bestäubungsleistung übernehmen, da es längst keine Bienen mehr dort gibt. Mao neidete den Spatzen ein paar Getreidekörner. Nach deren Exodus vermehrten sich die Insekten rasant. Die daraufhin eingesetzten Pestizide machten vor den Bienen nicht Halt. Was nützt es, wenn die Wissenschaft heute bestätigt, dass Bienen die besseren Bestäuber waren? Da kommt jede Erkenntnis zu spät, und solange sich neue Berufszweige und Alternativen entwickeln (es werden nun Pollen abgeschnitten, in Tütchen verpackt und an die Bauern zweckst Direktbestäubung verkauft), solange der Mensch immer noch einen Trick findet, sich um seine Verantwortung zu drücken, und solange wir immer noch Äpfel aus China kaufen können, so lange wird es weiterhin auf dem Rücken der Allerkleinsten ausgetragen. Nachhaltigkeit, Liebe und Bewahrung sehen anders aus.
Nehmen wir Brasilien mit seinen Killerbienen, eine zufällige Kreuzung aus der europäischen Honigbiene und der afrikanischen Biene. Hoch agressiv, genetisch interessant, resistent gegen die Varroa-Milbe, soll die „afrikanisierte Honigbiene“ retten, was wir Menschen binnen kürzester Zeit vergeigt haben. Der Knackpunkt ist, das nicht jeder mit ihr zurecht kommt, das Imkern scheint eine echte Herausforderung zu sein. Sie sind wohl die einzigen, deren wildes Leben, hoch oben in Felsspalten, an die nicht einmal mehr ein Bär herankommt, sie zu schützen vermag vor der hemmungslosen Ausbeute von uns Menschen.
Nehmen wir Australien. Angeregt durch die südamerikanische Bienen forscht ein Imker, verwandt mit dem oben erwähnten Schweizer Imker, in Sachen genetischer Vielfalt. Seine Königinnen werden aufwändig künstlich befruchtet und auf einer einsamen Insel vor Australien ausgesetzt. Sollte sich von dort aus eine aufs Festland verirren, geht diese entweder ein, weil nicht angepasst, oder sie ist resistent gegen die vorherrschenden Bienenkrankheiten. Möglicherweise überleben die Inselbienen als Einzige auf unserer Landkarte und bilden somit ein wertvolles Resservoir für den Tag X, den Einstein vorhergesehen haben will: „Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen aus“. Schlussfolgerung: Ein gigantisches Experiment mit ungewissem Ausgang. Vielleicht beginnen wir schon mal, Apfelmus einzulagern.
Bildnachweis: Fotoausschnitt aus dem Filmplakat, Senator Film