*7* Adventskalender der Bamberger Schulbiene 2020

[Werbung] Cover Tourneret/de Saint Pierre/Tautz: Das Genie der Honigbienen, Ulmer„Das Genie der Honigbienen“ ist ein gewichtiger Bildband, so richtig was für den  Gabentisch, und ganz nebenbei eine Einladung zu einem unerschöpflichen Gesprächsthemas beim Weihnachtsgans- oder -karpfenessen. Bildbände dienten früher dazu, Gäste zu beeindrucken. Sie waren (und sind es noch) teuer, aber eben auch dekorativ von der Umschlaggestaltung her. Nicht immer hält der Inhalt allerdings, was der pompöse Deckel verspricht. Doch hier haben wir es mit einen Glücksfall zu tun, weil phantastisch reich bebildert bei einem eher erstaunlich moderaten Preis von rund 50 Euro.

Zur Einführung die Autor(inn)en

Wenn sich ein ausgesprochener Bienenfotograf, nämlich Éric Tourneret, und eine Journalistin mit abgeschlossenem Kunsthochschulstudium wie Sylla de Saint Pierre nebst eines der derzeitig angesagtesten und bekanntesten Bienenforscher – also mindestens bei uns Franken! –, der volksnahe und überaus umtriebige, engagierte Würzburger Professor Dr. Jürgen Tautz wieder einmal zusammentun, um den Bienen auf den Pelz zu rücken, dann … ja, dann … ist der Kauf so eines Prestigebandes keinesfalls nur der Angeberei geschuldet. Zumal man in Coronazeiten ohnehin nur wenig Besucher/innen zum „Gell-da-guckst-du“-Spiel einladen wird.

Die deutsche Ausgabe hat Angelika Sust überarbeitet. Hier fügt es sich, dass ihre Vorgeschichte eine glückliche Verbindung ist von Naturwissenschaft (Chemie) und Wortverständnis (Germanistik), gepaart mit Lehramt (also das „Wie sag ich’s meinem Kinde“) UND der eigenen Beschäftigung mit der Imkerei.

Genialer kann ein Dreigespann doch gar nicht sein, oder?! Ich wäre zu gerne bei dem Buchentstehungsprozess dabei gewesen! Genug der Einführung … wuchten wir den Prachtband endlich auf und rücken ihm ebenfalls auf die Pelle, und zwar zunächst, da am „aufdringlichsten“, den Fotos.

Zum Staunen die Fotos

Ganz ehrlich?! Von Fotos zu reden hört sich viel zu banal an, um dem gerecht zu werden, was uns da entgegenblättert. Es sind Kunstwerke der Makro- und Mikrofotografie, entstanden überwiegend in Orten Südfrankreichs. Von oben und fern auf die Strukturen zahlreicher Bienen-Klotzbeuten in unberührt erscheinenden Tälern bis tief hinein in die Strukturen einer Bienenwabe, von Porträts Aug-in-Facettenaug‘ mit Apis mellifera bis zu Begegnungen mit Imkern und Forschern. Ob stahlblauer Himmel  mit hingetupften Flügelwesen oder gelbstrahlender Waben und selbst das Stahlgrau der Facettenaugen – es sind regelrechte Farborgien, die jedes einzelne Sehzäpfchen lustvoll erschauern lässt.

Kaum jemand dürfte mit diesem Band in der Hand – oder eher auf dem Tisch, denn halten kann man die rund 2,4 Kilo nicht – weiterhin Angst vor Bienen haben. Denn so nah betrachtet verliert sich jedes Unbehagen, stattdessen möchte man am liebsten sofort auf Tuchfühlung mit den pelzig-behaarten, adrett-sauberen, manchmal auch puderzuckerartig bestäubten und immer so – bei aller Leichtigkeit! – schwer beschäftigten Flugkünstlerinnen gehen.

Mein Lieblingsbild neben Hundert anderen (LOL) ist das auf Seite 229. Es ist eine von der Seite aufgenommene Arbeiterbiene, die so posiert, als wüsste sie, dass sie Modelqualitäten hat. Vom ausgefahrenen Stachel am hochgehobenen, in der Leibesmitte abgeknickten Hinterleib, weiter über Flügelm mit ihren überdeutlichen Aderungen auf  pigmentartigen, wie allerfeinstes Ziegenleder anmutenden Flügel, bis hin zum lang herausgestreckten Saug-Leck-Rüssel – von den zigtausend Härchen ganz zu schweigen. Das formvollendete Körperbild steht vor strahlend weißem Hintergrund, und ich frage mich, wie das in dieser Vollkommenheit möglich war. Ich selbst habe in meiner Vita eine Weiterbildung zur Dtp-Fachfrau absolviert und kann mit Photoshop sehr gut umgehen. Die Freistellung einer Biene hat mir einige Zeit gekostet, denn jedes einzelne Härchen will schließlich aufs Pixel genau eingefangen werden. Respekt!

Textinhalte mit deutlicher Handschrift

Allen Bildern ist eine relativ ausführliche Beschreibung beigesellt. Da wäre auch meine einzige Kritik anzubringen. Denn diejenigen, die dabei im Bild direkt eingefügt sind, kann man ob des zu kleinen Fonts vor farbigem Hintergrund oft nur sehr schwer entziffern.

Dass der Impuls zu diesem Band von Tautzens „Pänomen Honigbiene“ (auch in unserer Imker-Bibliothek enthalten) stammt, erwähnt der Fotograf Éric Tourneret in den ersten Zeilen des Vorworts. Tatsächlich war es auch für mich unverkennbar, dass der Textteil die Handschrift des Bienenforschers trägt. Sachinformationen so aufzubereiten, dass sie verständlich und leicht sind, ohne dabei an Genauigkeit zu verlieren oder dröge zu wirken, das versteht Jürgen Tautz auch in seinen Vorträgen.

Ein weiterer Kollege, der dies wunderbar versteht, ist der Zoologe und Neurobiologe Randolf Menzel. ALLE Bücher dieser beiden Bienenverhaltensforscher sind mir die vergnüglichste und spannendste Sachliteratur, die ich mir zum Thema Bienen nur vorstellen kann. Allerdings verlässt Tautz zuweilen die Sachlichkeit, um einer ihm eigenen Philosophie der Naturbetrachtung Raum zu geben. Das darf er auch, denn man muss Menschen berühren und abholen können, um Publicity zu erreichen. So dürfte es dem eremitierten Professer die Möglichkeit geben, weitere neue Bücher zu entwickeln oder HOBOS mit zu unterhalten. Mit seiner offenen, zugänglichen Umgangsweise konnte er immerhin die Drittmittelgeber Audi-Stiftung und Schwartau-Werke überzeugen.

Fazit

Gleichwohl ich sehr viel Gutes diesem Bildband noch schreiben könnte – ich belasse es dem Gewicht zum Trotz bei einer leicht geäußerten, absoluten Kaufempfehlung. Wer sich, seine Gäste oder weihnachtlich zu Beschenkende positiv beeindrucken möchte, macht mit dem „Genie der Honigbienen“ aus dem Stuttgarter Ulmer-Verlag alles richtig. (Für schmalere Geldbeutel siehe gestrige Adventskalenderrezension.)


Das Genie der Honigbienen / Éric Tourneret; Sylla de Saint Pierre; Jürgen Tautz ; für die deutsche Ausgabe überarbeitet von Angelika Sust. Stuttgart : Ulmer. 2018. 253 S. : Ill.
ISBN 978-3-8001-7999-2

Rezensionsexemplar für unsere Imker-Bibliothek.

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