Rezension Jürgen Tautz: „Auch Bienen haben Schweißfüße“

Cover Tautz: Auch Bienen haben Schweißfüße © Ulmer Verl.„Können Hummeln pupsen“ ist mit einer der am häufigsten aufgerufenen Blogbeitrag, was sicherlich am Titel liegt. Ob dies meine Rezension zum Titel „Auch Bienen haben Schweißfüße“ des Ulmer-Verlags übertreffen wird, wird sich noch herausstellen. Anyway, lasst uns ernst werden. Jedenfalls: Tautz durchdringt in seinem jüngsten Werk erneut die Welt der Bienen aus verschiedenen Blickwinkel heraus, bringt Licht ins Dunkel des Bienenstocks und verneigt sich vor der Klugheit, der Kompetenz und der Komplexität des Bienenlebens, indem er uns immer wieder aufs Neue daran teilhaben lässt. Unverkennbar: Tautz liebt die Bienen! Und er hebt sie auf die Bühne auch unseres Alltags. Jedoch …

„Verblüffendes aus der Welt der Honigbienen“

„Wenn man aber dazu neigt, die Bienen zu überhöhen …“, so seine Mahnung im Vorwort, die sicher nicht von ungefähr kommt, braucht es einen soliden methodischen Zugang zu den nur allzu menschlichen Fragen, wie der, ob Bienen Schweißfüße haben. Spoiler: Ja, haben sie, und dies wurde bereits 1906 festgestellt, doch sicher nicht so herrlich populärwissenschaftlich verpackt, wie es die unnachahmliche Formulierungsweise Tautzens vermag.

Weitere Fragen, die uns naturgemäß beschäftigen, sind in die (Unter-)Kapitel verpackt: „Wie können wir wissen, was Bienen ‚denken‘? Können sich Honigbienen betrinken? Fühlen Bienen Schmerzen? Können Honigbienen ihren Tagesablauf planen? Wie finden Honigbienen zum Sex? Wieso benutzen Imker Rauch?“

Wie ist das mit dem Rauch?

Letztere Frage wird uns Imkern beinahe jedes Mal gestellt, wenn wir während des Schulbienenunterrichts oder beim Jungimkerkurs damit hantieren. Bereits in Tautzens großem Bildband „Das Genie der Honigbienen“ machte er uns auf einen weitverbreiteten Irrtum aufmerksam, der besagt, Bienen würden als Vorsorge vor dem zu erwartenden Feuer Honig als Proviant für eine mögliche Flucht aufnehmen, um danach gleich wieder loslegen zu können. Wir konnten das ohnehin nie so recht glauben, denn irgendwann hätte es ja einmal so einen Moment geben müssen, an dem wir die Bienen nach zu viel Rauch hätten schwärmen sehen müssen.

Tautz stellt klar, dass die Königin jedoch vor einer Flucht Diät halten müsse, da sie zu schwer zum Sofort-Davon-Fliegen sei. Und welches Volk lässt schon seine Königin zurück! Es wäre dem Untergang geweiht, denn wer würde für den Nachwuchs sorgen?
Sein Erklärungsmodell des körperlichen Schutzes vor Hitze durch vermehrte Flüssigkeitsaufnahme erscheint um einiges logischer.

Forschung für bessere Antworten auf kluge Fragen

Mit Logik und auf der Grundlage wissenschaftlich fundierter Forschung kommen wir den Antworten viel näher. Tautz mahnt das immer wieder in seinen Büchern an. Er stellt die weiterführenden Fragen, sucht nach geeigneten Forschungsergebnissen, zieht sein von jahrelanger Erfahrung geprägtes Fazit, doch vor allem kleidet er die Antworten für den durchschnittlich gebildeten Menschen in eine verständliche, nachvollziehbare Sprache. Und was offen bleiben muss, also derzeit noch nicht beantwortet werden kann, wird umstandslos zugegeben.

Das unterscheidet ihn von anderen „Schlaumeiern“, die meinen, mit ein bisschen Zurechtbiegen und Hindrehen von aus dem Kontext gerissenen Informationen ließen sich „Erkenntnisse“ schaffen, die jedoch vor allem dem Nutzen eigensinniger Thesen dienen.

Keine Scheu, aber etwas dünn

Keine Scheu aber auch vor komplexeren Zusammenhängen, wie im Kapitel „Mensch und Biene. Ein nachhaltiges Miteinander.“ Hier gefällt mir die eingangs dargestellte Historie, wie der Mensch schon seit Langem versuchte, das verborgene Leben der Bienen optisch sichtbar zu machen. Mangels Glasscheiben hatte Aristoteles offenbar dünn geschliffene Muschelschalen verwendet und dabei – wie später auch Karl von Frisch, der für seine Beobachtungen den Nobelpreis erhielt – die Bienentänze entdeckt.

Indem Tautz die Geschichte bemüht, zeigt er auf, dass der Mensch sich für seine Mitlebewesen sehr wohl näher interessiert und sich nicht nur tumb an ihnen bereichert. Dass durch Selektionsverfahren, also Zuchtbemühungen, die für Bienen negativen Rahmenbedingungen, ob Umweltfaktoren wie moderne Landwirtschaft oder Parasitenplagen wie die Varroamilbe, wieder wettgemacht werden sollen, offenbart die enge Wechselbeziehung, die zwischen Mensch und Biene seit Urzeiten besteht. Soweit, so gut.

Dann jedoch wird es ein wenig dünn in diesem Kapitel. Es endet mit zwei Seiten und dem Appell „Wir alle haben es in der Hand!“ und meint doch im Grunde „nur“ die Umstellung der Landwirtschaft mit weniger Pestizideinsatz sowie dem Ernährungsverhalten des Konsumenten. War’s das schon?! Der Bildtext über hübsche Wiesenblumen, der von einer Symbiose von Mensch und Honigbiene spricht, von der ein ganzes Netzwerk aus Pflanzen und Tieren profitiert, ist sicher nicht falsch. Manche Antworten sind dann aber doch etwas zu einfach. Nun gut, jedes Buch hat sein natürliches Ende.

Serviceteil – für alle was dabei

Dessen ungeachtet erfreut das 143-seitige Sachbuch mit einem Literaturverzeichnis, welches nach den vorherigen Kapiteln aufgebaut ist. (Fast) jedes Unterkapitel enthält bis zu höchstens vier deutsch- wie englischsprachige, überwiegend wissenschaftliche Quellen, mit denen jeder Nerd für sich tiefer einsteigen kann. Nachmaulen: Zum oben beklagten Kapitel wird uns allerdings keine weitere Lektüre empfohlen.
Und auch an der weiterführenden Literatur können sich die Geister scheiden. Doch Ritter und Seeley finden meine uneingeschränkte Zustimmung, und natürlich darf Tautz auch Tautz auflisten. Übrigens – unsere Imker-Bibliothek enthält acht Titel aus seiner Feder!

Der emeritierte Zoologe, Soziobiologe und Verhaltensforscher Prof. Dr. Tautz stellt (sein) Wissen für uns neu zusammen beziehungsweise in einen neuen Zusammenhang und überrascht doch auch mit „erweiterten Blickrichtungen“, so wie dem Brauseflug, der als Teil der Bienensprache nach seinem Geschmack noch lange nicht ausreichend erforscht wurde. Doch auch das Wissen seiner Forscherkollegen findet Eingang in sein kurzweiliges Werk, so von Prof. Lars Chittka, der sich der Sinneswelt der Hummeln und Bienen annahm. Ein bisschen erfährt der geneigte Leser in diesem Kapitel „Haben Bienen ein Bewusstsein und Emotionen?“ außerdem über Methoden und Kriterien in der Forschung. Was nicht schadet, sondern klar macht, wie fragil manche „Weisheiten“ doch sein können und sich oft eher nur als Annahmen entpuppen.

All das macht Tautz dem gemeinen Volk auf seine typisch nahbare Art klar. Doch vor allem macht er die Biene allen gleichermaßen zugänglich. Ob leidlich an Natur Interessierte, ob neugierige Jugend oder abgeklärte Bienenhalter – sie alle dürften das jüngste, gut strukturierte und mit ansprechenden Bildern und übersichtlichen Grafiken illustrierte Sachbuch des Bienenwissenschaftlers aus Würzburg wieder mit Staunen und Faszination durchblättern.


Tautz, Jürgen: Auch Bienen haben Schweißfüße : Verblüffendes aus der Welt der Honigbienen. Stutgart. Verl. Ulmer. 2024. ISBN 978-3-8186-2331-9.

Rezensionsexemplar für unsere Imker-Bibliothek.

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