Zum Frühstück gab’s heute gleich zwei Nachrichten in Sachen Bienen. Keine davon erfreut uns so richtig, wenngleich wir durchaus auch die positiven Seiten gewillt sind, zu erkennen.
Nachricht im „Fränkischen Tag“ (FT): „Freiheit für die Honigbienen“.
„Naturschützer im Steigerwald wollen die Bienen zurück in den Wald bringen …“, so der Teaser des Artikels. Ja, interessant ist das alte Zeidlerhandwerk sicherlich. Auch als Rückblick in die Geschichte der Honig- und Waldwirtschaft ein löbliches Unterfangen. Doch ob Bienen in Holzbäumen oder in Holzbeuten ohne Mittelwände leben, macht kaum Unterschied – Holz ist Holz. Und selbst Mittelwände sind nicht wirklich künstlich, sondern ebenfalls aus (in Form gebrachtes) Bienenwachs, die von den Völkern, ergänzt mit neuem Wachs, umgebaut werden. Fürs Wohlergehen der Bienen spielt das, wenn überhaupt, eher eine untergeordnete Rolle. Eher schon für das Ökosystem „Wald“.
Etwas anderes treibt uns viel mehr um. Wir leben in einer globalen Welt mit einhergehenden Schrankenlosigkeit gegenüber Seuchen, die unsere menschlichen und tierischen Organismen ohne jahrhundertelange Gewöhnung aneinander nicht ohne Weiteres überstehen können. Die wichtige Frage heute ist: Wie lassen sich Völker in Baumhöhlen rein technisch gesehen gegen die Milbe behandeln? Wie lassen sich Seuchenausbrüche beobachten und wirkungsvoll behandeln?
Wild und frei sind zweierlei
Was man bei allem „Goodwill“ ebenfalls gerne übersieht: Baumvölker in der Zeidlerei von früher (also bis etwa 1800) waren sogenannte „Totvölker“. In einem Jahr trugen sie ein, im nächsten wurde der Honig komplett entnommen und somit das Volk vernichtet. Das war das übliche Verfahren und ist keineswegs romantisch oder im Sinne „Zurück zur Natur“. Der Vorteil war, es gab immer nur junge, frische Völker. Frei in ihrer Lebensentscheidung waren sie dabei sicher nicht. (s. a. Zeidelmuseum Feucht bei Nürnberg.)
Verwilderte Bienen, wild schwärmende Bienen (richtig muss es heißen: „Honigbienen ohne imkerliche Pflege“), sind definitiv eine Gefahr für alle Völker. Wir können das nicht gut heißen. Wildbienen sind es ohnehin nicht, das ist eine andere, solitär lebende Art. Ein wirklich und wahrhaft freies Volk besteht im Übrigen ebenfalls aus „Massetieren“, sucht sich selbständig eine Höhle* – und geht heutzutage ziemlich sicher an der allüberall auftauchenden asiatischen Varroa destructor ein.
Das Fatale: Vorher hat das ungepflegte Volk diesen Schädling sowie Seuchen, zum Beispiel die (Amerikanische) Faulbrut, noch hübsch verbreitet. Womit wir bei der nächsten Meldung sind.
Nachricht im Rathaus-Journal Nr. 23/2014: Vollzug des Gesetzes zur Vorbeugung und Bekämpfung von Tierseuchen … Amerikanische Faulbrut der Bienen
Die Befürchtungen, die wir vor einigen Wochen bei der ersten Bekanntgabe des Ausbruchs der Amerikanischen Faulbrut in Bamberg bereits hegten, sind (fast) eingetroffen. Ja, der Sperrbezirk hat sich in die Nähe unserer Standorte hin verschoben. Aber nein, wir liegen, wenn auch denkbar knapp, immer noch außerhalb des Kreises. Jetzt kann uns im Grunde nur ein einbrechender Winter helfen, denn unter 10 Grad fliegen Bienen nicht. Somit wäre eine Verbreitung durch Verflug (also wenn fremde Bienen es schaffen, in andere Völker einzudringen), gebannt.
Wir hatten Überlegungen angestellt, unsere Bienenvölker zu versetzen (siehe auch hier), doch uns aus verschiedenen Gründen dagegen entschieden. Nun mag das Schicksal entscheiden.
Wir hoffen, mit dem Bau der „Bienen-InfoWabe“ im nächsten Jahr ein Podium zu schaffen, in der der Austausch über die Geschehnisse, über Risiken und Nebenwirkungen jeglicher Art der Bienenhaltung, gesittet möglich ist. Niemand von uns hat die Weisheit mit Löffeln gegessen. Die Komplexität der Zusammenhänge ist größer, als es in ein paar Zeitungszeilen passt. Glaubt nicht alles, was zu lesen ist, aber bleibt im Dialog und vorveruteilt nicht. Um das bitte ich alle Bienen- und Honigliebhaber/innen, die es gut mit der Natur meinen, wie wir sie heute kennen. Als Kulturraum, in der Mensch und Tier miteinander auskommen können, wenn wir bedachtsam und wachsam vorgehen.
* Eine nette Geschichte am Rande: Ein Altimker in Oberkotzau, der seine Völker durch natürliche Schwarmbildung vermehrte, jagte, als es wieder einmal soweit war, einen Schwarm hinterher, der sich aus seinem Bienenhaus (Hinterbehandlung) heraus erhob. Dieser Schwarm flog letztendlich wieder zurück, wohl, weil ihm die Unterkunft am geeignetsten erschien. Und warum auch nicht? Warm, gemütlich und geschützt – viele Jahre Versuch und Irrtum im Beutenbau können nicht ganz umsonst gewesen sein.
Die Befürchtungen zum Zeidelei Artikel “Naturschützer im Steigerwald wollen die Bienen zurück in den Wald bringen …” sind nur gerechtfertigt wenn unterstellt wird, dass Naturschützer keine Imker sein können, die eine imkerliche Fachkunde kennen und verantwortlich handeln. Schade -.
Danke für das Feedback. Ja, klar, könnte man so interpretieren, ist aber so nicht gemeint. Wer uns kennt und unsere Blogbeiträge verfolgt, weiß, dass wir nicht einfach jemanden irgendwas unterstellen. Vielmehr wollen wir unsere Überlegungen und Befürchungen mitteilen und zum fachlichen Dialog anregen. Da wir uns eine praktische Varroabehandlung und Seuchenkontrolle in einer Baumhöhle nur sehr schlecht vorstellen können, seien uns die Fragen erlaubt. In keiner Zeile steht, dass wir Naturschützer als schlechte Imker ansehen. Das dürfen wir getrost weit von uns weisen. Wir kennen sehr wohl die Diskussion auch um „natürliche Auslese“. Wir haben jedoch (wie wohl alle Imker und Interessierte) Sorge um unsere Völker, um die Bienensituation in Deutschland. Das eint uns. Und vereint müssen wir auch Antworten suchen.
Als Präsident von http://www.freethebees.ch und als Initiator der Wiedereinführung der Zeidlerei in der Schweiz kenne ich die Bedenken der Imkerschaft sehr wohl. Aber ich kenne auch die Grenzen der imkerlichen Denkweise, die nackten und überallhin sichtbaren Resultate, welche die Imkerei verursacht hat und die zugrundeliegenden Studien, welche die Sinnhaftigkeit der Wiedereinführung der Zeidlerei faktisch beweisen.
Aber etwas geordnet nun zu den obengenannten Bedenken des Autors:
„Doch ob Bienen in Holzbäumen oder in Holzbeuten ohne Mittelwände leben, macht kaum Unterschied – Holz ist Holz.“
• Eine äusserst gewagte Behauptung. Zwischen 20cm lebendholz-Wänden in runder Form und 10-20mm verleimten und eckig zusammengefügten Platten sind sehr wohl riesige klimatische Unterschiede erkennbar. Ebenso in der Innenstruktur (rauh vs. glatt), welche einer ganzen Reihe an wichtigen (Mikro-) Organismen Lebensraum bieten oder abstossend wirken kann.
„Und selbst Mittelwände sind nicht wirklich künstlich, sondern ebenfalls aus (in Form gebrachtes) Bienenwachs, die von den Völkern, ergänzt mit neuem Wachs, umgebaut werden.“
• Das ist etwas grobschlächtig formuliert, Studien zeigen sehr wohl diverse subtile Unterschiede. Aber viel wichtiger: Die künstlichen Mittelwände zwingen die Bienen zu Arbeiterinnenbau und zum Bau normierter Brutzellen. Ein riesiger Eingriff in den Bien!
„Fürs Wohlergehen der Bienen spielt das, wenn überhaupt, eher eine untergeordnete Rolle. Eher schon für das Ökosystem “Wald”.“
• Das Ökosystem Wald braucht die Biene, die Biene braucht das Ökosystem Wald. Alles ist verknüpft. Die Biene im Ökosystem Wald ist optimaler Bio-Indikator: Kann die Biene im Wald nicht mehr alleine leben, ist es höchste Zeit, sich über den Zustand der Umgebung Gedanken zu machen!
„Etwas anderes treibt uns viel mehr um. Wir leben in einer globalen Welt mit einhergehenden Schrankenlosigkeit gegenüber Seuchen, die unsere menschlichen und tierischen Organismen ohne jahrhundertelange Gewöhnung aneinander nicht ohne Weiteres überstehen können.“
• Gerade in der globalisierten Welt ist die Einrichtung der natürlichen Selektion primordial und sogar ökonomisch betrachtet sinnvoll! Wer die Seuchenverbreitung in der heutigen Bienenwelt objektiv und detailliert untersucht, kommt unweigerlich zu folgendem Schluss: Die Krankheiten gab es schon seit jeher, auch in der Natur. Die seuchenartige Verbreitung derselben ist 100% hausgemacht in der Imkerei. Die intensiven Bienenhaltungsbedingungen der heutigen Honigimkerei sind die Ursache. Die Seuchenausbreitung ist nur das ersichtliche Symptom. Die Verbreitung der amerikanischen, wie auch der europäischen Fraulbrut könnte unter Mitwirkung der Imker, innerhalb zwei oder drei Jahren komplett eingedämmt werden.
„Die wichtige Frage heute ist: Wie lassen sich Völker in Baumhöhlen rein technisch gesehen gegen die Milbe behandeln? Wie lassen sich Seuchenausbrüche beobachten und wirkungsvoll behandeln?“
• Gefüttert wird, ähnlich wie im Bienenkasten, mittels z.B. PET-Flaschen. Den Varroabefall misst man entweder mit der wissenschaftlich akzeptierten Puderzucker-Methode und/oder über einen Spezial-Bodeneinsatz mittels natürlichem Milbentotenfall. Die (befallsorientierten) Behandlungen mittels Thymol, Ameisen- und Oxalsäure sind wie im Bienenkasten ebenfalls möglich. Da der Zeidlerbaum mit dem fixen Beutevolumen (keine Volumenänderungen zur Produktionssteigerung und Schwarmverzögerung) das Schwärmen nicht hindert, ist der jährliche Schwarm mit hoher Wahrscheinlichkeit fast garantiert. Das Restvolk im Baum kann über die Zeit der Brutpause einfach und effizient mit „sanften“ Methoden behandelt werden. Hohe Varroabelastungen, wie von den Wirtschaftsvölkern bekannt, kommen gar nicht erst zustande. Zur Brutkontrolle wird notfalls ein Brutschnitt gemacht, eine Brutprobe entnommen und bei Verdacht allenfalls mittels PCR-Real-Time-Analyse überprüft. Ist das Volk von Faulbrut befallen, wird konsequent ausgeräumt, gereinigt und neu begonnen. Aber die Studien zeigen ja ebenfalls klar, dass der hohe Druck an Bakterien und Viren insbesondere in der Honigimkerei entsteht, nicht in natürlichen Bienenvölkern.
„Was man bei allem “Goodwill” ebenfalls gerne übersieht: Baumvölker in der Zeidlerei von früher (also bis etwa 1800) waren sogenannte “Totvölker”.“
• Das mag teilweise stimmen und wurde so teilweise auch in der Korbimkerei betrieben. Ähnlich der Jagd und des Schlachtens von Wildtieren. Solange die Natur intakt ist, gibt es nichts dagegen einzuwenden. Die Imkerei mit ihren hohen moralischen Ansprüchen „schlachtet“ Völker zur Aberntung heute nicht mehr, zerstörte aber dabei das gesamte ökologische Gleichgewicht im Bereich der Bienenwelt. Jeder soll selbst urteilen, was respektvoller im Umgang mit der Natur ist. Nicol Jacobus sagte übrigens bereits 1568, dass man einem Bienenvolk in einer Klotzbeute 3-5 Jahren Entwicklungszeit lassen müsse, bevor man es regelmässig ohne Verlust abernten könne. Und die langjährigen Erfahrungen aus Russland und Polen zeigen, dass Bienenvölker in Baumhöhlen durchaus viele Jahre leben können, wenngleich die Honigernte äusserst minimal ausfällt, aber auch nicht Ziel der heutigen Zeidlerei ist. In Polen werden die Zeidlerbäume übrigens spontan besiedelt. Man wartet also, bis Völker von selbst einziehen. Die hohe Einzugsrate zeigt zwei Dinge: Einerseits, dass der natürliche Lebensraum für Bienen rar geworden ist. Andererseits, dass die Baumhöhle der Biene optimal entspricht und einem Bienenkasten in der konventionellen Imkerei vorgezogen wird.
„Wildbienen sind es ohnehin nicht, das ist eine andere, solitär lebende Art.“
• Es gibt Deutschland und in der Schweiz rund 500-600 solitär lebende Wildbienenarten neben der einen Honigbienenart.
„Dieser Schwarm flog letztendlich wieder zurück, wohl, weil ihm die Unterkunft am geeignetsten erschien.“
• Wo soll sich denn ein Bienenschwarm heute sonst einnisten? Wieviele alte Habitatsbäume mit natürlich entstandenen Baumhöhlen in Grössen, welche der Honigbiene entsprechen, existieren denn noch? Das ist kein Argument für die Güte des Bienenkastens, sondern ein Argument zur Bildung alter Baumbestände! Und zur interimsmässigen Überbrückung und Zurverfügungstellung der ökologischen Infrastruktur für Honigbienen, unter anderem eben genau durch das Schlagen von Zeidlerhöhlen.
Vergessen wir bei alldem nicht, was die Natur uns über 30 Millionen Jahre vorgemacht hat, was Imker heute in der Praxis aufzeigen und was wissenschaftliche Studien beweisen: Die Biene ist extrem anpassungsfähig. Und sie kann sich sehr schnell anpassen. Sie ist in der Lage, mit der Varroa in einem Gleichgewicht zu leben. Wir brauchen nicht auf Wunder zu warten, sondern müssen der Biene den notwendigen Lebensraum geben, sich selbständig anpassen zu können.
Die Zeidlerei hat einen ganz anderen wichtigen Aspekt, denn sie zeigt dem Imker die Unterschiede zwischen naturnah lebenden und extensiv/intensiv betriebenen Bienenvölkern unserer Imkerei auf (siehe Imkermethoden nach http://www.freethebees.ch). Das Bewusstsein der Imker für natürliche Abläufe und widernatürliche Eingriffe mitsamt deren Auswirkungen wird gefördert. Und damit deren Analysefähigkeit der aktuellen Situation und deren Fähigkeit, praktikable und nachhaltige Lösungsmöglichkeiten zu verstehen.
Herzlichen Dank für den umfassenden, engagierten und kenntnisreichen Kommentar, Herr Wermelinger. Sie haben sich sicher viel Zeit dafür genommen, und das wollen wir für unser Feedback und weitere Fragen gerne ebenfalls tun. Nun bin ich derzeit dienstlich unterwegs und rund um die Uhr eingespannt, so dass die AW – zumindest von der einen Hälfte des Teams von Bienen-leben-in-Bamberg.de – erst mal nur kurz ausfällt. Zwei Punkte auf die Schnelle. Zum einen: wir interessieren uns sehr für die Zeidlerei und hatten selbst bereits mit dem Gedanken gespielt, uns zu so einem Kurs anzumelden. Zu hinterfragen, so, wie wir es tun, heißt ja noch lange nicht, es abzulehnen, das kam vielleicht nicht so richtig rüber. Wir vermeiden möglichst das vehemente „ent-weder-oder“, sondern wünschen uns eher ein „sowohl-als-auch“, so möglich. Und dazu bedarf es einen Prozess des lebenlangen Voneinander-Lernens, welches uns insgesamt in der Welt und für die Welt weiterbringen sollte.
Zum anderen: Ich würde mich wegen der dringend notwendigen Bestäubungsleistung, gepaart mit der bedauerlicherweise fehlenden „Bauminfrastruktur“ gerade in städtischen Regionen wie Bamberg gerne mit Ihnen darauf einigen – insofern, als Sie ja auch selbst sagen, die Bienen wären enorm anpassungsfähig – dass die für viele einfacher zu handhabende Beutenhaltung so zu betreiben sein sollte, dass wir der Biene das Bestmöglichste angedeihen lassen können, und, wo es von den Rahmenbedingungen her ist, auch andere Formen der Bienenhaltung praktizierbar sein sollten. Ihre Ausführungen zur Pflege waren jedenfalls sehr aufschlussreich und lassen uns diesbezüglich hoffen. Wir sind keine Hardliner und Verfechter bestimmter Richtungen, haben sowohl die kurzfristigen Problemlagen mit schneller Hilfe im Auge, als auch die langfristigen Lösungen, die unbedingt forciert werden wollen, ob haltungs-/pflegetechnisch oder durch Zucht bzw. Nicht-Zucht. Da wir selbst – wie so viele andere ja auch – noch mitten im Berufsleben stehen, ist unser Einsatz in Sachen „Bienen“ begrenzt, wir sind weder Züchter noch können wir forschen. Wir bauen vielmehr darauf, Bindeglied und Botschafter „pro Biene“ für andere zu sein, Wissen zu mehren und unsere sowie die Erfahrungen anderer in diesem Weblog oder im direkten Kontakt in Bamberg und Umgebung breit zugänglich zu machen.
Vielen Dank daher noch einmal für Ihr differenzierte Meinungs-/Erkennnisbild und bis in einigen Wochen mit weiteren Antworten bzw. Fragen unsererseits. Oder vielleicht möchte ja noch jemand anderes etwas anderes hier einstellen? Nur zu! Scheuen Sie sich nicht! Wir sind alle Einäugige unter Blinden!