Innerhalb einer Stunde das Wichtigste zur Varroamilbe auf den Punkt bringen – das war Anspruch des Vortrags zur BIWa-Sonntagsöffnung am 24.07.2018. Der Referent Reinhold Burger, Facharbeiter für Bienenwirtschaft und Bienensachverständiger (Initiative Bienen-leben-in-Bamberg.de), hatte Wort gehalten und sogar noch Zeit für eine Fragerunde.
Exklusiv für unsere Blogleser hier noch ein paar zusätzliche, stichwortartige Ausführungen zur Powerpoint-Präsentation von Reinhold Burger unter Mitarbeit von Ilona Munique: „Integrierte Varroabehandlung : Empfehlungen zum Einbau in die eigene Betriebsweise“. Schließlich ist uns allen daran gelegen, den Honigbienen ihr Leben etwas zu erleichtern.
1. Steckbrief zur Varroa destructor
Herkunft, Verbreitung
- Evolutionäre Entwicklung mit der östlichen/indischen Honigbiene Apis cerana
- Wirtswechsel von Apis cerana auf Apis mellifera
- Weltweite Verbreitung: Alle Kontinente außer Australien
- Varroamilbe 1986 in Bamberg angekommen
- Weibchen: 1 bis 1,5 mm groß, typische querovale Körperform, erwachsenes Weibchen rotbraun gefärbt
- Männchen: 0,8 mm, runde Körperform, gelblichweiß
Lebensweise (Nahrung, Fortpflanzung, Vermehrung, Lebensdauer)
- Lebt parasitisch an Bienen und Bienenbrut
- Durchstechen die Bienenhaut (Cuticula) und saugen Haemolymphe (Bienenblut)
- Vermehrung in der verdeckelten Bienenbrut
- Befall der Brut: Kurz vor Verdeckelung der Brut (15-20 h Arbeiterinnenbrut, 40-50 Stunden Drohnenbrut) schlüpft ein Varroaweibchen in eine Brutzelle und läßt sich einschließen
- Nach 65-70 Stunden nach Verdeckelung wird ein erstes Ei gelegt, dann alle 30 Stunden ein weiteres Ei
- Aus dem ersten Ei entsteht ein Männchen, aus allen weiteren Eiern Weibchen
- Vermehrung in der Arbeiterinnenbrut: 1 Weibchen hat pro Vermehrungszyklus als Nachkommen 1 Männchen und 1 bis 2 Tochtermilben
- Vermehrung in der Drohnenbrut: 1 Weibchen hat pro Vermehrungszyklus als Nachkommen 1 Männchen und 2 bis 4 Tochtermilben
- Bis zu 3 Fortpflanzungszyklen pro weiblicher Milbe
- Faustformel: Im Sommerhalbjahr (= Zeit, in der Bienenbrut gepflegt wird) pro Monat eine Verdoppelung der Milbenzahl
- Praxisbeobachtung: Varroa-Befall eines Volkes kann sich vom Frühjahr bis zum Herbst um den Faktor 100 erhöhen.
- Lebensdauer der Varroaweibchen: Im Sommer 2-3 Monate, im Winter 6-8 Monate
- Varroamänchen: Stirbt bis zum Schlupf der Jungbiene
- Ohne Bienen und Brut lebt eine Milbe max. 7 Tage
Auswirkungen
- Primärschäden auf die Bienen: Verkürzung der Lebensdauer, Verkrüppelung (Flügel, Hinterleib), Gewichtsreduktion, Leistungsabfall, Verhaltensänderungen -> Unruhe, Drohnen werden unfruchtbar
- Sekundärschäden: Übertragung von Krankheiten – Stichstelle, Pathogene (Krankheitserreger) haben direkten Zugang in die Leibeshöhle
- Bienenvolk kann eine gewisse Anzahl von Varroamilben tolerieren, ohne dass Krankheitssysmptome auftreten
- Starker Befall stört die Sozialstruktur des Volkes
- Ertragsverlust
- Volk stirbt als direkte Folge des Befalls oder an Sekundärinfektionen
2. Varroadiagnose
Methoden
- Grundlage jeder (erfolgreichen) Behandlungsmaßnahme
– Festellung des Befallsgrades und
– Wirksamkeitskontrolle von Behandlungsmaßnahmen sowie
– Erkennen von Reinvasion - Alle Methoden zur Varroadiagnose liefern nur grobe Schätzwerte
- Methode: Windeldiagnose bei geeignetem Beutensystem
Beim sogenannten „natürlicher“ Milbenfall ist der Umrechnungsfaktor vom
Mai bis September – Völker mit Brut: 100 bis 300, von Oktober und November – Völker mit wenig bis keiner Brut: 300 bis 500) - Puderzuckermethode
Anzahl Milben x 100 / 300 [entspr. Anzahl Bienen in 100ml-Becher] = % Befall - Auswaschen von Bienenproben
Anzahl Milben x 10 / g Bienen [100ml-Becher ca. 30g – 50g Bienen] = % Befall
Zeitpunkt der Behandlung
- Saisonbeginn, Ende März/Anfang April
- Saisonende, Mitte Juli/Ende Juli -> im Sommer befinden sich 80% aller Milben in der Brut
- Nach abgeschlossener Sommerbehandlung, Ende September
- Vor Winterbehandlung, November/Dezember
Achtung: Gemülldiagnose nach Ameisensäurebehandlung erst 14 Tage nach Abschluss der Behandlung aussagekräftig!
3. Biotechnische Maßnahmen zur Varroareduktion
Grundsätzliche Vorteile
- Keine Rückstandsbelastung in Bienenprodukten (Honig, Bienenbrot, Propolis, Wachs)
- in Wirtschaftsvölkern auch während der Tracht anwendbar
- Wirksamkeit unabhängig von der Witterung
- Keine Ausbildung von Resistenzen der Varroa
Mögliche Nachteile
- Eingriff in die Volksentwicklung
- Wärmeverfahren haben zum Teil unerwünschte Nebenwirkungen auf Fertilität und Wachstum
- Je nach Vorgehensweise möglicherweise geringerer Honigertrag
- Maßnahmen zum Teil geräte- und zeitintensiv
- Wirksamkeit zum Teil als alleinige Maßnahme nicht ausreichend
Varianten biotechnischer Maßnahmen
- Entnahmen: verdeckelte Drohnenbrut, verdeckelte Arbeiterinnenbrut ->Jungvolkbildung durch
-
- Brutableger oder ->Totale Brutentnahme
-
- Entnahme von adulten Bienen -> Jungvolkbildung durch Kehrschwärme
- Brutunterbrechung
- Bannwabenverfahren (Mullerbrett, „VarroaCatch“, „Heinrichs Zwischenboden“)
- Wärmebehandlung (Hyperthermie)
Kombination physikalischer/mechanischer und biologischer Maßnahmen und Mittel zur Schädlingsbekämpfung
Ausnutzung der Reaktion von Lebewesen auf physikalische und chemische Reize. Ziel ist die Herbabsetzung der Populationsdichte des Schädlings.
Umstrittene / unzureichende / nicht ausreichend erforschte Möglichkeiten alternativer biotechnischer Maßnahmen
- Bücherskorpion (Chelifer cancroides)
Info: https://www.mellifera.de/blog/mellifera-blog/buecherskorpion.html - Ledum palustre (Sumpfporst, Rhododendrongewächs –> Imker- und Gärtnermeister Bernhard Jaesch. Information unter http://www.immengarten-jaesch.de/Insektenfreundliche_Pflanzen.html
Gründet auf Erfahrungswissen in der Anwendungsregion Russland. Inhaltsstoffe der Pflanze, die Bienen aufnehmen, wenn sie die eingebrachten Blätter zerkleinern, um diese aus dem Stock zu entfernen, schrecken Varroen ab, so Jaesch. Geklärt ist jedoch nicht, wie die Brut damit geschützt werden kann. - Lithiumchlorid (LiCl)
- bereits in geringsten Mengen höchst toxisch für die Brut
- noch nicht erforscht, ob Wirkstoff Rückstände in den Bienenprodukten hinterlässt
- noch keine wirksame Therapie gegen die Varroa entwickelt
- Denkbar: Anwendung bei brutfreien Jungvölkern direkt, wenn sie gebildet werden
– Deutsches Bienenjournal, 04.03.2018 unter https://www.bienenjournal.de/aktuelles/meldungen/bieneninstitut-warnt-vor-lithiumchlorid/
– Verhaltener Optimismus in Sachen Varroabekämpfung (Bienen-leben-in-Bamberg.de vom 12.01.2018)
KEINE Alternative zu anderen biotechnischen Maßnahmen
- Drehbeute
- Ultraschall (Varroa Killer Sound, Vorläufer: Schallomat)
Wissenschaftlich erforscht und für wirkungslos erklärt. Unsere Aussagequellen: Bienenfachzeitschriften sowie jüngste Vorträge im Fachzentrum Bienen, Veitshöchheim (wir berichteten unter dem Titel: „Imkerforum Veitshöchheim 2018 – ein Muss für bayerische Imker“ am 10.02.2018)
Was sonst noch getan wird / werden sollte …
- Rückzüchtungen mit Ziel vermehrter Putzfreude
- Neuzüchtungen mit Ziel Varroaintolleranz und Krankheitsfestigkeit
- Starke Völker halten -> kein Päppeln von schwachen Völkern aus Mitleid (Anfängerfehler)
- Tiermedikamente töten/schädigen die Varroamilbe, können geschädigte Bienen aber nicht heilen (und wieder langlebig machen) -> eine rechtzeitige Anwendung ist wesentlich für den Erfolg!
- Gefahr einer Rückstandsbildung
- wasserlösliche Wirkstoffe bilden eher im Honig Rückstände
- fettlösliche Wirkstoffe bilden eher Rückstände im Wachs und können sich dort über Jahre halten und anreichern
- Gefahr der Entwicklung von Resistenzen
- Bitte beachten: Aufzeichnungspflicht bei Anwendung apothekenpflichtiger Tierarzneimittel!
- Verwenden Sie nur zugelassene Medikamente, die sich bei der Anwendung unterscheiden in „Volk mit Brut“ und „ohne Brut! Quelle: https://www.lwg.bayern.de/mam/cms06/bienen/dateien/varroabehandlungsmittel_mit_zulassung.pdf