Rezension zu Heidinger/Kuhn: „Imkern mit der Bienenkugel“

Cover zu Heidinger / Kuhn, Imkern mit der Bienenkugel[Werbung] Das Zitat: „Jeder muss seinen eigenen Weg beim Imkern finden“ (S. 22) gibt treffend die Linie des Buches „Imkern mit der Bienenkugel“ wieder. Andreas Heidinger hat seinen eigenen Weg mit der Bienenkugel beschritten. Deren Besonderheit ist ein kugelförmig ausgestalteter Brutraum mit kreisrunden Rähmchen. Die Rähmchen in der Mitte haben den größten Durchmesser. Je weiter die Rähmchen am Rand sitzen, desto kleiner ihr Durchmesser. Die Bienenkugel will als ein „Bienen-System-Haus“ (S. 7) den hohlen Baumstamm, die ursprüngliche Behausung von Bienenvölkern, ersetzen.

Suche nach neuem Weg in der Bienenhaltung

Das Buch handelt in seiner ersten Hälfte von Heidingers Suche nach einem neuen Weg in der Bienenhaltung. Sehr ausführlich beschrieben werden seine Annährungen an das Thema, sowohl von der künstlerischen Seite aus als auch im historischen Kontext. Letzteres trägt eindeutig die Handschrift des Mit-Autors, dem habilitierten Historiker Christian Kuhn, den Rezensenten persönlich bekannt.

Geleitet von naturwissenschaftlichen Überlegungen und im praktisch-konstruktiven Sinn – letzteres offensichtlich dem Modellbauer und Gießereitechniker Heidinger zuordenbar – ist die zweite Hälfte des Buches ganz der Praxis der imkerlichen Arbeiten mit der Bienenkugel gewidmet.

Kurzweiliger Zugang zu naturwissenschaftlicher Betrachtung

Das Buch soll dem Leser den Zugang zu einer naturwissenschaftlichen Betrachtung der Bienenhaltung eröffnen, so der Wunsch im Vorwort von Friedrich Reiling, der es überschrieb mit „Bienenhaltung und Naturgesetze“. Diesem Anspruch trägt die sachlich und fachlich korrekte Darstellung Rechnung, die sehr sorgfältig in seiner Formulierung ist. Angenehm auch, dass Vermutungen und Thesen durch die entsprechende Sprachwahl als solche kenntlich sind. Nicht zuletzt daher erscheint es weniger als wissenschaftliches Werk, sondern ist kurzweilig geschrieben. Auch für Noch-Nicht-Imker/innen findet es sicher Anklang durch die eher persönlich geprägte Sicht- und Darstellungsweise, die ein imkerliches Wissen eher nicht voraussetzt. Es wird alles Grundlegende erklärt.

Von der Kugel zum Ovoid

Besucht man die Hompage zum Buch www.bienenkugel.de so ist erkennbar, dass der Weg weiter geht. Die ursprünglich völlig runde Form wird dabei verlassen und gerät zum Zylinder, nähert sich also dem Halboval der Trogbeute („Top Bar Hive“) an. Wobei die Rähmchen weiterhin kreisrund bleiben, aber eben zu den Seiten hin erweiterbar. Denn in der Kugelform der Beute zeigt sich der Schwachpunkt der Konstruktion: Eine fixe, nicht anpassbare Größe des Brutraumes. Das soll das neue „Ovoid“ sozusagen wieder „geradebiegen“.

Da das Konstrukt der Bienenkugel in seiner urhaften Idee sicherlich reizvoll erscheint, das „Drumherum“ aber im wahrsten Sinne des Wortes – es muss noch eine Umhausung als Wetterschutz gebaut werden, außerdem ist ein Habitatbehältnis vorgesehen – doch recht aufwändig anmutet, ist ein Besuch in Dachau bei Heidingers empfohlen. Dort ist das Ehepaar auf (auch) internationale Gruppen nicht nur im Bereich der imkerlichen, sondern weiterer „natürlicher“ Themen eingestellt. Ebenso steht Christian Kuhn, derzeit in Frankfurt a. M. wohnhaft, für Vorträge „zur Beziehung von Bienen und Mensch“ zur Verfügung.

Keine Kosten und Mühen gescheut

Nicht nur die beiden Verfasser haben sich mit allen Details viel Mühe gegeben – in der Sache selbst wie zur Niederlegung in Buchform. Auch der Ulmer-Verlag hat keine Mühen gescheut, ein besonderes Thema auch besonders zu verpacken. Hochwertig wie die Bienenkugel, kommt auch das schmale, bilder- und konstruktionszeichnungsstarke Bändchen einher, der Text aufgelockert mit herausgestellten Informationshäppchen in – sehr naheliegend! – eingestreuten Kreisen.

Apropos … ob das Modell der Kugel Kreise ziehen wird oder ein Nischensystem bleibt, sei trotz medialer Präsenz und professioneller Außenwirkung dahingestellt. Denn hier treffen handwerkliches Geschick auf wissenschaftliche Herangehensweise, die ein zum Patent angemeldetes, einzigartiges Produkt zum Ergebnis hatten.

Das Nachbauen erscheint als ein hoher Aufwand auch finanzieller Art, der eher in Art eines Experiments zu einem besseren bzw. anderen Verständnis des Bienenvolkes verhilft, denn sich dem normal leidenschaftlichen Imker oder der Imkerin sogleich erschließt. Und nicht jedermann verfügt über einen 3-D-Drucker oder eine Fräßmaschine, doch lässt sich die Kugel ja auch kaufen. Ob der Arbeitsaufwand tatsächlich für Imker-Anfänger/innen so leicht ist, wie im Umschlagtext dargestellt, lässt sich von unserer Seite her nicht eindeutig beantworten. Uns mutet das Konstrukt und die Einzelteile exotisch an, Materialeinkäufe dürften sich nicht ohne Weiteres oder Abhängigkeiten gestalten lassen, ein praktisch-inhaltlicher Austausch mit konventionellen Imkereien ist kaum möglich.

Für wagemutige Herzen

Gleichwohl trotz der (noch zu) wenigen Untersuchungsergebnisse jetzt schon hochinteressant und sicherlich mit ergänzenden Erkenntnissen zur konventionellen Bienenhaltung. In diesem Sinne ist der Band möglich für alle, die „den Bienen mit Herz und Seele verbunden sind“ (Vorwort), und eben an jene, durchaus wagemutigen Herzen gelegt.

Rezensenten: Reinhold Burger, Ilona Munique


Heidinger, Andreas; Kuhn, Christian: Imkern mit der Bienenkugel. Rund statt eckig – Lernen von der Natur. Bienen besser verstehen. Andreas Heidinger, Christian Kuhn. 2020. 128 S. ISBN 978-3-8186-0931-3

Rezensionsexemplar für unsere Imker-Bibliothek.